Arm & Reich

Mit einem Prokopf-Inlandsprodukt von rund 25.000 USD pro Jahr (kaufkraftkorrigiert, 2018) liegt Chile an der Spitze Lateinamerikas, noch vor Argentinien. Doch die Schere zwischen Arm und Reich klafft so weit auseinander wie fast nirgendwo auf der Welt: 1% der erwerbstätigen Bevölkerung, die "Superreichen", konzentrieren 30% des Einkommens. Auf der anderen Seite leben offiziellen Angaben zufolge 8,6 Prozent der Chilenen in Armut, 2,3 Prozent der Gesamtbevölkerung sind sogar extrem arm. Dabei wird die Armutsgrenze mit ca. 158.000 CLP (190 USD - Wechselkurs Mai 2020) monatlich sehr niedrig angesetzt. Während Manager in der Wirtschaft internationale Spitzengehälter beziehen, müssen ungelernte Beschäftigte mit dem gesetzlichen Mindestgehalt von 350.000 Pesos (ca. 420 USD - Wechselkurs Mai 2020) monatlich auskommen. Gesellschaftstragende Berufe wie Lehrer und Angestellte, Richter und Polizisten sind chronisch unterbezahlt.

Die soziale Kluft wird zementiert durch ein Bildungssystem, in dem Qualität nur mit Geld zu erkaufen ist. Staatliche Schulen sind zwar kostenlos oder billig, bieten jedoch ein trostloses Bild neben den teuren Privatschulen der Mittel- und Oberschicht. Auch für die Universitätsausbildung ihrer Kinder müssen Familien tief in die Tasche greifen. Diese chronische Benachteiligung auf der einen und das "Geschäft mit der Bildung" auf der anderen Seite stehen im Mittelpunkt massiver Studenten- und Schülerproteste in den letzten Jahren.

Am schwierigsten ist die Situation für all jene, die keine feste Anstellung finden oder - ohne soziale Absicherung - im großen informellen Sektor tätig sind. Sie leben oft in notdürftigen Slums oder in defizienten Sozialwohnungen an den Stadträndern, welche die Bewohner der besseren Viertel kaum zu Gesicht bekommen. Trotz dieser Probleme wird Chile im UN-Index der menschlichen Entwicklung, welcher u. a. Lebenserwartung, Ausbildung und Einkommen bewertet, unter den 'hoch entwickelten' Staaten eingestuft und erscheint im Jahr 2017 auf Rang 38 als erstes lateinamerikanisches Land vor Argentinien (Platz 45) und Uruguay (54).